„Kommen ein Priester, ein Ire und eine Blondine in ‘ne Bar…“

LEONARDO STEENBOCK. Von absurden Webespots über lustige Poetry-Slammer bis hin zum typischen Papa-Witz am Mittagstisch – Humor ist allgegenwärtig. Doch was macht eine Sache überhaupt witzig? Warum lachen wir? Und was bringt es dem Menschen über Dinge zu scherzen? Genau diesen Fragen möchte ich im folgenden Artikel auf den Grund gehen und euch auf dem Weg vielleicht sogar das ein oder andere Mal zum Lachen oder zumindest zum amüsierten Ausatmen durch die Nase zu bringen.

„Ich glaube diese beiden Kanutisten da unten am See sind nackt“, sagt der Vater meiner damaligen Freundin, als er bei einem Urlaub in Schweden mit dem Fernglas die Kanus betrachtet. Erwartungsvoll erwidere ich: „Also sind es wohl eher Kanudisten!“ Die Reaktion ist meistens dieselbe. Ich lache über meinen eigenen Witz, eine andere Person lacht eventuell noch mit, doch die überwiegende Mehrheit rollt mit den Augen. Dabei waren Wortwitze einst allgemein geachtet und galten als Zeichen höheren Intellekts. In der Renaissance zum Beispiel bauten Richter Wortspiele in ihre Urteilssprüche ein und sogar verurteilte Straftäter machten am Galgen noch Wortwitze, um dem Publikum durch ihre geistige Wendigkeit zu beweisen, dass sie gar keine so schlechten Kerle waren – waschechter Galgenhumor also. Nicht zuletzt spielte William Shakespeare in seinen Stücken immer wieder mit Mehrdeutigkeiten und ging damit in die Geschichte ein. Erst die Epoche der Aufklärung sorgte mit ihrem Fokus auf die Vernunft dafür, dass unsachliche und zweideutige Kommentare in Ungnade fielen.

Sind wir als Gesellschaft also kollektiv humorlos geworden? Sicherlich nicht. Zum einen halten clevere Rap-Künstler:innen und gut geschriebene Sitcoms den Wortwitz fleißig weiter am Leben. Zum anderen gibt es auch noch viele weitere Arten Humor auszudrücken. Im Jahr 2008 beschrieben Schlicksupp und Krause ganze 25 verschiedene Humorstrategien, welche die Diplom-Psychologin Christina Dornhaus (2016) zum Zweck eines Humor-Coachings in sechs übergeordnete Kategorien aufteilte.

SECHS HUMORSTRATEGIEN
Beim eben besprochenen Wortwitz macht man sich meist „Wörtlichkeit“ und „Mehrdeutigkeit“ zu Nutze, da man hier versucht Aussagen außerhalb ihres Kontextes zu interpretieren bzw. Formulierungen absichtlich so zu wählen, dass sie in mehrere Richtungen verstanden werden können.

Aber auch „Analogien“ sind vor allem bei verbalem Humor eine nützliche Strategie, um Menschen zum Lachen zu bringen. Wenn also jemand sagt: „Mein Leben ist wie ein Rihanna Song – Work, Work, Work und den Rest verstehe ich nicht“, dann sind es nicht unbedingt die einzelnen Elemente, die wir als lustig empfinden, sondern eher, dass diese beiden scheinbar unzusammenhängenden Dinge in Beziehung zueinander gesetzt werden.

Wo wir gerade bei Beziehungen sind, auch Erfolgs-Comedian Mario Barth bedient sich mit seiner „Meine Freundin, kennste? Kennste?“-Routine einer der einfachsten Humorstrategien: „Extreme“. Das Spielen mit Klischees ist in dem klassischen Witz, den man sich in einer Runde von Freund:innen erzählt, wohl am häufigsten zu finden. Fast jeder kennt Erzählungen, die mit Sätzen wie „Kommen ein Priester, ein Ire und eine Blondine in ‘ne Bar“ beginnen und man kann sich schon in etwa vorstellen, welcher der Charaktere was für Eigenschaften aufweist. Aber auch die extreme Darstellung einer unglaublichen Pechsträhne, wie es Charlie Chaplin ganz ohne Worte in so vielen seiner Filme tut, fällt unter diese Strategie, bei der es vor allem darum geht, bestimmte Sachverhalte oder Aussagen besonders groß oder klein zu machen.

Unter dem Stichwort „Gegenteil“ fasst Dornhaus Strategien zusammen, bei denen mit Erwartungen gespielt wird und Situationen umgekehrt werden. Gerade die Comicverfilmungen von Marvel Studios sorgen häufig dadurch für Lacher, dass Held:innenfiguren, die wir normalerweise als mit Pathos dargestellte Übermenschen kennen, urplötzlich einen unerwartet menschlichen Moment haben (wie z.B. als der Donnergott Thor mitten in der finalen Schlacht die U-Bahn nehmen muss, um an den Ort des Geschehens zurück zu gelangen). Ähnliche Prinzipien macht sich ebenso folgender Witz zu Nutze: „Was bekommt man, wenn man einen Witz mit einer rhetorischen Frage kreuzt?“

Zuletzt kommen wir einmal auf die Käse-Theorie zu sprechen. Kennt ihr nicht? Lasst mich sie euch erklären: Je mehr Käse man hat, desto mehr Löcher hat man im Käse. Aber je mehr Löcher im Käse sind, desto weniger Käse hat man natürlich. In der Schlussfolgerung bedeutet dies so gesehen also: Je mehr Käse, desto weniger Käse! In diesem Beispiel findet die letzte Humorstrategie „Absurdität“ Verwendung, bei der man Logik und anerkannte Sätze in Frage bzw. auf den Kopf stellt.

DREI HUMORTHEORIEN
Mit Hilfe dieser sechs Strategien können wir also Humor effektiv verwenden. Aber was genau passiert bei unserem Gegenüber oder auch bei uns, wenn wir Witze reißen? In ihrer wissenschaftlichen Arbeit aus dem Jahr 2008 stellen die Psychologinnen Wilkins und Eisenbaum drei Theorien vor, die die Funktionsweise von Humor zu erklären versuchen.

Laut der „Incongruity Theorie“ müssen wir erst die typischen Muster unserer Realität rational verstanden haben, bevor Humor überhaupt funktioniert. Denn Menschen lachen über Dinge, die sie überraschen oder die akzeptierten Muster durchbrechen. Etwas Lustiges entsteht also dadurch, dass wir kognitiv sowohl eine normentsprechende Ansicht auf eine Situation als auch eine normabweichende gleichzeitig verarbeiten müssen. Deswegen finden wir politische Witze zum Beispiel als Kinder weniger witzig, als wenn wir erwachsen sind – wir haben die entsprechenden Muster noch nicht genug verstanden, um die Abweichungen wahrzunehmen. Über neurologische bildgebende Verfahren kann man sogar beobachten, dass bei dem Verarbeiten von Cartoons die gleiche Hirnaktivität zu beobachten ist, wie beim Verarbeiten von Inkongruenzen.

Die „Superiority Theory“ dagegen setzt einen Schwerpunkt auf sozialpsychologische Phänomene. So dient das Lachen über andere, die sozialen Normen nicht entsprechen, zum einen als Ersatz für Aggression und erhält damit die soziale Ordnung aufrecht. Zum anderen sorgt es dafür, dass das Einheitsgefühl einer Gruppe gestärkt wird. Das mag zunächst einmal fies klingen, ist aber der Grundstein des Erfolgs vieler heutiger Fernsehformate. Wenn wir uns in unserem Freundeskreis bei der Umstyling-Folge von Germany’s Next Topmodel über „Heidi’s Mädchen“ amüsieren, weil diese nach 12 Staffeln immer noch schockiert darüber sind, dass ihnen die Haare abgeschnitten werden, bekräftigt uns dies in dem Glauben, dass wir dagegen die Schlauen sind, die alles richtig gemacht haben. Ob dem tatsächlich so ist, sei einmal dahingestellt.

Die dritte Theorie, die „Relief Theorie“ besagt, dass vor allem die physische Reaktion des Lachens zu einer Reduktion von körperlichem Stress und Anspannung führt, was wiederum ein Gefühl von Heiterkeit und Erleichterung auslöst.

∞-ER NUTZEN VON HUMOR
Somit wissen wir jetzt also in etwa, wie Humor wirkt und funktioniert. Bleibt nur noch die Frage: Wozu der ganze Spaß? Dornhaus entwickelte ihr Humor-Coaching zur Förderung von Kreativität und Innovation am Arbeitsplatz, da durch Humor alte Denkweisen durchbrochen werden können. Wilkins und Eisenbraun hingegen fokussierten sich in ihrer Arbeit besonders auf die Funktion von Lachen und Humor als Coping-Mechanismus. Aufgrund der oben beschriebenen Wirkungsweisen hat ein Witz nämlich die Kraft negativen Affekt in positiven zu transformieren. „Harry Potter“-Fans mag hier direkt der Teil der Geschichte einfallen, in dem die jungen Hexen und Zauberer einen angsteinflößenden Irrwicht mit Hilfe des „Riddikulus“-Zaubers in etwas Lächerliches verwandeln und somit bezwingen. Und genauso ist es: Bedrohliche Situationen können mit Hilfe von Humor neu bewertet und einfacher überwunden werden. Man kann also sagen, dass er für den Menschen ein Überlebenswerkzeug darstellt. Neben einer erhöhten psychischen Resilienz, haben ein guter Sinn für Humor und häufiges Lachen außerdem noch physiologischen Vorteile: Die Ergebnisse von Hayashi und Kollegen (2009) ließen den Schluss zu, dass Lachen der Verschlimmerung diabetischer Neuropathie vorbeugen kann. Kimata (2004) zeigte, dass sich das Anschauen von lustigen Filmen positiv auf die Lungenfunktion von Asthma-Patienten auswirkte. Und eine Studie der University of Maryland aus dem Jahr 2005 stellte fest, dass der physische Akt des Lachens ähnliche Effekte auf den Blutkreislauf hat wie leichte Aerobic-Übungen.

Kurzum: Lachen ist gesund. Wobei es für dieses simple Fazit vermutlich keiner intensiven Forschung bedurft hätte. Schließlich sagte ein deutscher Philosoph namens Immanuel im 18. Jahrhundert bereits: „Drei Dinge helfen, die Mühseligkeiten des Lebens zu tragen: Die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen.“ Die seelenheilende Funktion des Lachens war also auch schon vor über 200 Jahren beKant… versteht ihr? Kant? Wegen Immanuel. Nein? Zu flach? Ihr habt schon wieder die Augen gerollt, oder?

Quellen:
Dornaus, C. (2016). Humor als Förderfaktor für Innovationen: Analyse eines Innovationscoachings und Entwicklung eines theoretischen Modells (qualitative Einzelfallstudien) (Vol. 24). University of Bamberg Press.

Pollack, J. (2012). The pun also rises: How the humble pun revolutionized language, changed history, and made wordplay more than some antics. Avery.

Schlicksupp, H., & Krause, T. (2008). Humor als Katalysator für Kreativität und Innovation. Vogel.

Wilkins, J., & Eisenbraun, A. J. (2009). Humor theories and the physiological benefits of laughter. Holistic nursing practice, 23(6), 349-354.