Was die Psychologie zum Umweltschutz beitragen kann – eine Einführung
MARGARETE OVER. Wir ernähren uns vegetarisch oder vegan. Wir kaufen Second-Hand-Kleidung. Wir tun dies aus Verantwortung gegenüber unserer Umwelt und den nachfolgenden Generationen. Wir reisen aber auch gerne in ferne Länder, weil wir jung sind und die Welt entdecken wollen – und leise plagen uns die Gewissensbisse des ökologischen Fußabdruckes. In unserem Alltag müssen wir häufig abwägen zwischen widerstreitenden Einstellungen, Wünschen und Vorstellungen. Der Klimawandel und seine Folgen sowie die Endlichkeit der Ressourcen gehören zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Doch steigen der Konsum und der Ressourcenverbrauch trotz effizienter Technologie unaufhaltsam an. So setzt sich mittlerweile die Erkenntnis durch, dass das menschliche Verhalten ein entscheidender Faktor im Gefüge ist. Und da liegt nichts näher als eine psychologische Perspektive.
TEILDISZIPLIN DER PSYCHOLOGIE
Umweltpsychologie ist eine Teildisziplin der Psychologie, die sich mit der Wechselwirkung zwischen Individuen und ihrer natürlichen, sozialen und konstruierten Umwelt befasst. Dazu gehören etwa architektonische Fragen und auch physische Faktoren wie Lärm, mit ihren jeweiligen Bezügen zum
menschlichen Denken, Erleben und Verhalten. Die Umweltschutzpsychologie, häufig auch nur als Umweltpsychologie bezeichnet, ist wiederum ein Teilbereich der Umweltpsychologie und fokussiert auf Umweltschutzverhalten und nachhaltige Lebensstile.
Nachhaltige Verhaltensweisen können sowohl einmalige Entscheidungen sein, wie die Wahl eines Stromanbieters, als auch Gewohnheiten wie den täglichen Weg zur Arbeit betreffen. Schwerer zu verändern sind vor allem letztere, da sie in der Regel automatisiert ablaufen. Doch gibt es auch Phasen im Leben, in denen wir empfänglicher sind für Änderungen unserer Gewohnheiten. Bei kritischen Lebensereignissen, wie Arbeitsplatz- oder Wohnortswechsel ist ohnehin vieles im Veränderungsmodus, sodass auch Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger Verhaltensweisen effektiver greifen. So kann ein einmaliges kostenloses Monatsticket für den öffentlichen Nahverkehr dafür sorgen, dass ich auch später häufiger auf dieses Fortbewegungsmittel setze.
KLASSISCHE VERHALTENSMODELLE
In der Theorie stützen sich diese Annahmen auf klassische Verhaltensmodelle, wie der Theorie des geplanten Verhaltens von Ajzen sowie dem Normaktivationsmodell von Schwartz und Howard. Ausgehend davon können dann Interventionen zur Förderung nachhaltiger Verhaltensweisen entwickelt werden. Grundlegend ist dabei die Erkenntnis, dass es nicht den einen Faktor zur Vorhersage nachhaltigen Verhaltens gibt, sondern verschiedene Komponenten zusammenwirken. Je nach Situation können sie sich ergänzen oder aber auch in Konflikt zueinander stehen. Wissen, Selbstwirksamkeit, soziale Norm sind hier entscheidende Schlagworte. Nehmen wir das Beispiel Flugreisen. Zuallererst muss ich wissen, dass Flugreisen im höchsten Maße umweltschädlich sind. Zur Wissenskomponente gehört damit zum einen Problembewusstsein, also das Wissen um die Existenz eines Umweltproblems.
Nicht minder wichtig ist jedoch zum anderen das Handlungswissen, denn allein das Gewahrsein über die Existenz eines Problems dient noch nicht direkt der Bewältigung desselben. Ich brauche eine Verhaltensalternative: Bus, Bahn oder warum trampe ich nicht gleich? Maßnahmen, die allein auf die Wissensvermittlung beschränkt sind, verfehlen jedoch häufig ihr Ziel, da sie wichtige andere Vorbedingungen zur Entstehung von Verhalten vernachlässigen. Schließlich wissen viele Leute, dass Flugreisen nicht unbedingt eine ökologische Art der Fortbewegung sind und buchen trotzdem einen Billigflieger.
SOZIALE NORMEN
Eine weitere elementare Komponente ist die soziale Norm. Dazu gehört die persönliche Einstellung, aber auch die Einschätzung des sozialen Umfeldes. Wie sollte ich mich in einer bestimmten Situation verhalten? Wie verhalten sich – unabhängig davon –wichtige Mitmenschen tatsächlich in eben dieser Situation? Wenn ich gerne auf Flugreisen verzichten möchte, aber mein Freundeskreis einen gemeinsamen Urlaub auf den kanarischen Inseln plant, befinde ich mich schnell in einem Konflikt zwischen der eigenen Einstellung und den Vorstellungen meines Umfeldes.
SELBSTWIRKSAMKEIT
Auf dem Weg zur Verhaltensausführung ist außerdem die Selbstwirksamkeit zentral, also das Vertrauen in die eigenen spezifischen und relevanten Fähigkeiten,
einer Situation gewachsen zu sein. In dem Beispiel könnte dies etwa auch die Vorstellung sein, meine Freunde für eine gemeinsame Reise über Land und Wasser zu begeistern. Eng damit verknüpft ist auch die Frage nach der Tragweite
des eigenen Handelns. Habe ich das Gefühl, mit meinem Verhalten etwas bewirken zu können? Es bedarf also des Gefühls, dass das Handeln des Einzelnen relevant ist. Und ich beruhige mich nicht mit der Aussage, dass der Flieger ja auch ohne mich startet.
AUSBILDUNG EINER VERHALTENSINTENTION
Wissen, soziale Norm und Selbstwirksamkeit können zur Ausbildung einer Verhaltensintention führen, also der konkreten Absicht, ein bestimmtes Verhalten auszuführen. Doch auch die Absicht, ein bestimmtes Verhalten auszuführen, führt noch nicht zwangsläufig zum tatsächlichen Handeln. Ein anspruchsvolles Ziel, das konkret formuliert ist und kleinere Teilziele enthält, wird mit einer höheren Wahrscheinlichkeit erreicht als diffuse Absichtsbekundungen. Im Alltag können kleine Erinnerungshilfen nützlich sein: kurz und höflich, leicht auszuführen und auf das erwünschte Verhalten fokussiert, erhöhen sogenannte Prompts die Wahrscheinlichkeit bestimmter Verhaltensweisen.
NACHHALTIG LEBEN
Vielen Überlegungen zur Förderung nachhaltiger Verhaltensweisen liegt die Annahme zugrunde, dass eine nachhaltige Lebensweise förderlich für Zufriedenheit und Wohlbefinden sein kann. Denn nachhaltige Verhaltensweisen werden nur dann langfristig ausgeführt, wenn sie insgesamt als belohnend und positiv wahrgenommen werden. Wenn ich das Gefühl habe, mich ständig einschränken zu müssen, werde ich auf kurz oder lang in alte Verhaltensweisen zurückfallen. Suffizienz ist an dieser Stelle ein Schlüsselwort. Gut umschrieben wird es durch den Ausdruck „das rechte Maß“, manchmal auch durch Genügsamkeit. Es geht um ein gutes Leben ohne Überfluss, unter Rücksicht auf die Umwelt. Prof. Dr. Marcel Hunecke, Professor für Allgemeine Psychologie sowie Organisations- und Umweltpsychologie an der FH Dortmund, hat ein umfassendes Modell zu psychologischen Ressourcen für nachhaltige Lebensstile entworfen. Sechs Komponenten fasst er als elementar auf: Genussfähigkeit, Selbstakzeptanz, Selbstwirksamkeit, Achtsamkeit, Sinnkonstruktion und Solidarität.
STRUKTURELLE ASPEKTE
Trotz des Fokus auf die individuellen Merkmale von nachhaltigen Verhaltensweisen dürfen strukturelle Aspekte nicht außer Acht gelassen werden. Eine Studie zeigte, dass sich Personen mit eher geringem Umweltbewusstsein sich ebenso umweltschützend verhalten, wie Personen mit ausgeprägten Umweltbewusstsein, wenn das entsprechende Verhalten strukturell erleichtert wird, z.B. sagen vorhandene Vorrichtungen zur Mülltrennung das Recyclingverhalten besser voraus als das Umweltbewusstsein. Ebenso können durch Voreinstellungen bestimmte Entscheidungsoptionen wahrscheinlicher werden. Defaults bezeichnen die Option, die eine Person erhält, wenn sie sich nicht explizit anders entscheidet. Bei der Wahl eines Stromanbieters kann der Default Ökostrom sein, bei der Wahl einer Mahlzeit die vegetarische Variante.
INTERESSE AN DIESEM BEREICH?
An der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg gibt es einen Masterstudiengang mit dem Schwerpunkt der Mensch-Umwelt-Beziehungen. Auch an anderen Universitäten entsteht ein wachsendes Angebot an Vorlesungen und Seminaren mit umweltpsychologischen Fragestellungen, so etwa in Jena, Heidelberg, Konstanz und Greifswald. Wer umweltpsychologische Fragen in seinem universitären Curriculum vermisst oder gerne selbst in Aktion treten möchte, kann sich in die Initiative Psychologie im Umweltschutz e.V. (IPU) einbringen. Die IPU ist ein bundesweites Netzwerk von Studierenden, überwiegend der Psychologie, aber auch verwandten Studiengängen, und Berufstätigen aus den Bereichen Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Zweimal jährlich findet ein Kongress zu einem wechselnden umweltpsychologischen Thema statt. In den vergangenen Jahren ging es etwa um umweltpsychologische Perspektiven auf Fragen des kommunalen Klimaschutzes, der Commons-Dilemmata, der Politik und Nachhaltigkeitskommunikation. Neben einer Plattform für Austausch und Diskussion zu nachhaltigkeitsbezogenen Themen entstehen immer wieder neue Projekte aus dem Kreis der Engagierten. In Kürze erscheint das Buch „Psychologie im Umweltschutz. Handbuch zur Förderung nachhaltigen Verhaltens“ beim oekomVerlag. Es bietet eine praktische Handreichung zum Verständnis von Umweltpsychologie und unterstützt Interessierte bei der Umsetzung eines nachhaltigen Lebensstils.
Mehr zur IPU unter: www.ipu-ev.de
Über die Autorin: Margarete Over ist Masterstudentin der Psychologie in Heidelberg. In ihrer Bachelorarbeit befasste sie sich mit den sozialkognitiven Grundlagen von Kooperation in ökologisch-sozialen Dilemmata. Seit 2014 engagiert sie sich in der Initiative Psychologie im Umweltschutz e.V., organisierte dabei den Kongress zum Thema „Mit Umweltpsychologie den kommunalen Klimaschutz stärken“ und war als Vorstandsmitglied aktiv.
Quellen
Hamann, K., Baumann, A. & Löschinger, D. (in press). Psychologie im Umweltschutz. Handbuch zur Förderung nachhaltigen Verhaltens. oekom
Hunecke, M. (2013). Psychologie der Nachhaltigkeit – Psychische Ressourcen für Postwachstumsgesellschaften. oekom: München.