SASKIA RIEDELBAUCH. Vermutlich würden mir die meisten zustimmen, dass es schwierig ist, einen Partner oder eine Partnerin zu finden. Viele Menschen ohne Einschränkungen tun sich hierbei bereits schwer – doch wie mag es für Menschen im Autismus-Spektrum aussehen, die zusätzlich noch soziale Defizite und andere Einschränkungen haben? Was beeinflusst die Partner:innensuche von Menschen mit Autismus-Diagnose? Wie unterscheiden sie sich von der gesellschaftlichen Norm hinsichtlich ihrer Sexualität?
Vorab: Was ist das eigentlich – Autismus-Spektrum-Störung?
Die Autismus-Spektrum-Störung (ASS) gehört zu den Störungen der neuronalen und mentalen Entwicklung nach DSM-5 [1]. Sie umfasst andauernde Defizite sozialer Kommunikation und Interaktion sowie rigide, repetitive Verhaltensmuster, Interessen oder Aktivitäten. So haben Betroffene Probleme bei sozial-emotionaler Gegenseitigkeit, was sich beispielsweise in ungewöhnlicher sozialer Kontaktaufnahme, einer mangelnden Wechselseitigkeit während Konversationen oder verringertem Austausch zeigen kann. Dies kann reichen bis hin zur Unfähigkeit, auf soziale Interaktionen zu reagieren. Nonverbales Kommunikationsverhalten ist defizitär bis hin zu vollständig fehlend. Dies zeigt sich zum Beispiel in Abweichungen bei Blickkontakt und Körpersprache oder in Einschränkungen beim Einsatz von Mimik. Schwierigkeiten bei der Aufnahme, der Aufrechterhaltung sowie dem Verständnis von Beziehungen liegen vor. Eingeschränkte, repetitive Verhaltensmuster, Interesse oder Aktivitäten können sich zeigen als stereotype Bewegungsabläufe oder Sprache. Des Weiteren können sie auftreten als Beharren auf Routinen oder als sehr spezifische Interessen abnormer Intensität. Eine Über- oder Unterempfindlichkeit gegenüber sensorischen Reizen oder ein ungewöhnliches Interesse an Umweltreizen kann außerdem vorliegen. Eine erhöhte Empfindlichkeit kann sich zum Beispiel in Bezug auf (bestimmte) Geräusche zeigen, auf die ablehnend reagiert wird, da sie unangenehm oder sogar schmerzhaft empfunden werden. Das besondere Interesse an Umweltreizen kann sich beispielsweise als Faszination mit Licht oder sich drehenden Gegenständen zeigen. Die Symptome der Autismus-Spektrum Störung müssen für eine Diagnose bereits in frühen Entwicklungsphasen vorliegen, wobei sie sich aber auch erst nach Überschreitung der persönlichen Möglichkeiten durch soziale Anforderungen manifestieren können.
Die Autismus-Spektrum-Störung liegt bei etwa 1% der Bevölkerung vor, wobei Jungen drei bis viermal häufiger eine entsprechende Diagnose bekommen. Die Symptomatik bleibt bis ins Erwachsenenalter bestehen. Betroffene haben drei- bis viermal häufiger zusätzliche psychische und körperliche Probleme, im Vergleich mit Kontrollpersonen [2]. Des Weiteren ist ein großer Anteil an Menschen mit Autismus-Diagnose von einer Sprachstörung [3], und/oder einer Intelligenzminderung betroffen [4]. Häufig liegt eine Verzögerung der Sprachentwicklung vor, manche Menschen mit ASS entwickeln gar keine sinnvolle Sprache. Die sprachliche Kommunikation ist häufig eingeschränkt, da Inhalte und Bedeutungen nicht verarbeitet werden können, weswegen zum Teil auf bildliche Kommunikation ausgewichen wird.
Natürlich sind die beschriebenen (möglichen) Symptome durchaus sehr unterschiedlich vertreten bei Menschen mit ASS-Diagnose. Dies betrifft das Ausmaß der Einschränkungen bzw. der Besonderheiten, als auch deren Ausprägung. Deshalb wird Autismus als Spektrum aufgefasst. Bei Verwandten von Menschen mit ASS-Diagnose liegt zum Beispiel häufiger eine mildere Form des autistischen Erscheinungsbildes ohne klinische Relevanz vor, auch als broader autism phenotype bezeichnet [5].
Die beschwerliche Suche nach der Liebe
Wer denkt, Autist:innen wären nicht interessiert an romantischen Beziehungen oder Sexualität, der liegt falsch. Genauso wie die meisten anderen Menschen sehnen sie sich nach Liebe und Zuneigung. Kommunikation, Teilen, Ähnlichkeit, Respekt und Sicherheit für sich selbst und andere sowie das Arbeiten an der Beziehung – diese Punkte sah eine Gruppe von Menschen mit ASS genauso wie eine nicht-autistische Kontrollgruppe in einer qualitativen Studie als fördernd für Intimität [6]. Als Barrieren für Intimität berichteten Autist:innen besonders Unsicherheit über Beziehungen und Kommunikation. Etwa die Hälfte der Versuchsgruppe mit ASS äußerte sich unsicher in Bezug auf Erwartungen, Verhaltensweisen sowie Kommunikation, die notwendig seien für romantische Beziehungen. Des Weiteren seien ein niedriger Selbstwert, schlechte mentale Gesundheit und Fragen oder Unsicherheiten bezüglich der eigenen Identität für beide Versuchsgruppen Barrieren von Intimität. Darüber hinaus beschrieben Proband:innen mit ASS innere Konflikte von Isolation und Verfremdung. Diese führen zu Schwierigkeiten in Beziehungen oder Pessimismus gegenüber Intimität. Viele von ihnen beschrieben negative Selbstwahrnehmungen sowie internalisierte Stigma, darunter auch Sorgen über die Offenlegung ihrer Diagnose. Solche Gefühle der Ausgrenzung und die damit einhergehenden inneren Konflikte könnten den Wunsch nach dem Eingehen von Beziehungen sowie die Fähigkeit dazu beeinträchtigen.
Sexualität und Autismus
Doch nicht nur die sozialen Unsicherheiten und Defizite, die häufig bei Autist:innen vorkommen, stellen eine Herausforderung für Liebe und Intimität dar. Sensorische Dysregulation, die viele Menschen im Autismus-Spektrum betrifft, erzeugt Schwierigkeiten besonders im Kontext partnerschaftlicher Sexualität [7]. So kann es beim Sex beispielsweise zu sensorischer Überlastung bei Autist:innen kommen. Manche Empfindungen, die mit sexueller Aktivität assoziiert sind, können außerdem als unangenehm oder sogar schmerzhaft empfunden werden. Hinzu kann dabei kommen, dass eine Bewusstheit über körperliche Empfindungen erst verzögert auftritt, was sexuelle Begegnungen beeinträchtigen kann, besonders gepaart mit Schwierigkeiten, die veränderten Bedürfnisse zu kommunizieren. Bei manchen Autist:innen ist diese Bewusstheit über körperliche Empfindungen sehr stark oder völlig eingeschränkt, was zu vermindertem oder mangelnden Erleben von sexueller Erregung oder Stimulation führen kann. Sensorischer Überstimulation beim Sex begegneten manche Autist:innen mit der Nutzung sensorischer Barrieren, wie zum Beispiel Latexhandschuhen. Für viele Menschen mit ASS helfe außerdem die Strategie des geplanten Geschlechtsverkehrs. Das Festlegen von Zeitpunkten bis hin zu Abläufen wird dabei als hilfreich empfunden für das Erzeugen gemeinsamer Erwartungen. Ebenso hilfreich sei es, um den Körper und Geist möglichst in einen empfänglichen Zustand zu bringen sowie für das Treffen von Vorbereitungen, die besondere Bedürfnisse mit sich bringen. Als zentrale Strategie für erfolgreichen Sex wurde außerdem die willentliche, offene und explizite Kommunikation genannt, mit der Gefühle und Intentionen mitgeteilt und Vereinbarungen unter den Partner:innen getroffen werden können. Hierfür verwendeten einige Autist:innen gerne schriftliche Erklärungen, da es ihnen leichter falle, ihre Bedürfnisse und Anliegen auf diese Art zu kommunizieren, anstatt auf verbalem Wege.
Doch der Sexualität von Menschen mit Autismus-Diagnose werden häufig schon vor ersten sexuellen Erfahrungen Steine in den Weg gelegt. Die sexuelle Aufklärung sei zumeist inadäquat, unzureichend oder auch gar nicht vorhanden. So berichteten Menschen mit ASS in einer Studie, dass die sexuelle Aufklärung, die sie in der Schule erhielten, unzureichend war [8]. Eine qualitative Studie berichtete, dass Proband:innen mit ASS unangebrachte und behinderungsirrelevante sexuelle Aufklärung als beitragend für Sorgen bezüglich dem Umwerben und sensorischer Dysregulation identifizierten [7]. Die Desexualisierung von Menschen im Autismus-Spektrum bzw. von Menschen mit Behinderungen im Allgemeinen führe häufig dazu, dass die Betroffenen ausgeschlossen werden von Lernerfahrungen für Normen sexueller oder intimer Interaktionen. Dies könne nicht nur zu Wissenslücken bezüglich Sex und Sexualität führen, sondern auch zu inadäquaten Vorstellungen von Sex und zu Ängsten diesbezüglich, beispielsweise in Bezug auf sexuell übertragbare Krankheiten. Individuen im Autismus-Spektrum würden besonders von sexueller Aufklärung profitieren, die auch Aspekte wie besondere sensorische und kommunikative Bedürfnisse adressiert und die Möglichkeit bietet, soziosexuelle Normen zu üben. Dabei wäre es besonders wichtig, dass explizit aufgeklärt und nicht „um den heißen Brei herum“ geredet wird. Differenzen in Identitäten und in Erfahrungen von Sexualität sollten normalisiert werden, vor allem im Kontext erhöhter sexueller Diversität im Autismus-Spektrum.
Sexuelle Orientierung und Identität
Verschiedene Studien berichteten höhere Raten von Bisexualität, Homosexualität und Asexualität bei Autist:innen. Maskulinität als Geschlechterrolle, gezeigt z.B. durch Durchsetzungsvermögen, Führungsverhalten und Wettbewerbsdenken, war in einer Gruppe von Erwachsenen mit ASS weniger stark ausgeprägt, als bei solchen ohne ASS [9]. In der gleichen Studie waren Burschikosität und Bisexualität überrepräsentiert bei Autistinnen, im Vergleich zu Kontrollprobandinnen. Autist:innen berichteten eine geringere Libido sowie einen späteren Beginn sexueller Aktivität. In einer Stichprobe von 24 Erwachsenen mit ASS zwischen 18 und 61 Jahren, die im Rahmen einer qualitativen Studie zu sexuellen Erfahrungen befragt wurden, zeigte sich eine geringere Wahrscheinlichkeit, „gender-conforming“ zu sein – das bedeutet, dass sie häufiger eine Geschlechtsidentität haben, die nicht zu dem Geschlecht passt, das ihnen bei ihrer Geburt zugeordnet wurde [7]. In einer Studie mit Jugendlichen zeigten Autist:innen ebenfalls niedrigere Raten heterosexueller Präferenz, höhere Raten von Bisexualität aber auch mehr Unsicherheit bezüglich sexueller Anziehung im Vergleich zu Menschen ohne ASS [10].
Es gibt verschiedene Erklärungsansätze für Unterschiede in sexueller Anziehung bei Menschen mit ASS [10]:
- Menschen im Autismus-Spektrum sind nicht beeinflusst von sexuellen Normen der Gesellschaft
- „gender blindness“: bei der Partner:innenwahl sind persönliche Qualitäten wichtiger als das Geschlecht
- Höhere Raten fetaler Androgenexposition, was zu maskulinisiertem Verhalten führen könnte, wodurch erhöhte Raten von Bisexualität und Homosexualität bei Frauen mit ASS erklärt werden könnten
- Erhöhte Asexualität könnte einerseits mit geringerer Libido als auch mit sozialen Herausforderungen bei der Partner:innenfindung zusammenhängen
Liebe im Spektrum
Wer sich das Thema bildlich vor Augen führen möchte, der hat die Möglichkeit, sich auf Netflix die Reality-TV-Serie „Liebe im Spektrum“ von 2019 anzusehen. Die Serie zeigt Autist:innen, die auf der Suche nach Liebe sind und portraitiert, wie Dating für Menschen mit ASS aussehen kann. Die Protagonist:innen werden bei ihrer Vorstellung dazu befragt, was Liebe für sie ist. Hierbei wird schnell deutlich, dass ihre Auffassungen von Liebe sehr normal sind. Außerdem werden die Protagonist:innen samt ihrer Eigenheiten dargestellt. Viele von ihnen haben besondere Interessen, denen sie sich leidenschaftlich hingeben, wie die Paläontologie („Wissenschaft von den Lebewesen vergangener Erdzeitalter“ [11]), Comics oder Videospiele zum Beispiel. Die sehr direkte Art der Kommunikation von einigen brachte mich beim Zusehen und -hören des Öfteren zum Schmunzeln. Was für die Autist:innen lediglich das Darstellen von Fakt oder Meinung ist, mag für neurotypische Zuschauende schon nach trockenem Humor klingen.
Die Serie begleitet die jungen Erwachsenen auf erste Dates, für einige von ihnen die ersten Dates in ihrem Leben. Die Nervosität, Aufregung und Unsicherheit vor dem ersten Treffen, die die Autist:innen zeigen, kann ich als Zuschauerin sehr gut nachempfinden. Sie werden recht unbeholfen dargestellt – doch wer ist schon super selbstsicher bei seinem allerersten Date? Die Darstellung ihrer Unsicherheiten, Eigenheiten und Ängste aber auch ihrer Wünsche und Träume macht die dargestellten Autist:innen nahbar. Fast fühlte ich mich selbst aufgeregt, als sich zwei Autistinnen nach ihrem Date unsicher verabschieden. Die starke Sehnsucht nach Liebe, die Einsamkeit und Traurigkeit, die einige der Protagonist:innen berichten, lenkt immer wieder die Aufmerksamkeit auf die große Herausforderung, die das Dating für Menschen im Autismus-Spektrum darstellt.
Einzelne Protagonisten werden im Rahmen der Serie für das Dating gecoacht. Beim Coaching wird besprochen, welche Vorstellungen die Person von potentiellen Partner:innen und von Beziehungen hat. Mithilfe von Rollenspielen werden Situationen beim ersten Date und Gespräche nachgestellt. Der Ablauf eines ersten Dates wird detailliert durchgegangen und auf einzelne Schritte runtergebrochen. Nicht nur die Gespräche und Formulierungen werden geübt, sondern der Fokus wird auch auf nonverbale Kommunikation gelenkt. Die gecoachten Autist:innen zeigen sich als sehr dankbar und lernwillig, ihre hohe Motivation für die Partner:innensuche wird deutlich. Was hier auffällt ist, dass vor allem Verhaltensweisen beigebracht werden, die Dating von neurotypischen Menschen widerspiegeln. Angewandt von Autist:innen aber, wirken sie gespielt und unauthentisch. Sara Luterman, selber Autistin, beschreibt in ihrer Kritik der Serie wie unangebracht die erlernten Verhaltensweisen vor allem bei Dates von zwei Autist:innen sind, die solches Verhalten unter Umständen gar nicht verstehen oder als wichtig erachten [13].
Was beim Zuschauen bei den ersten Dates der Autist:innen auffällt, ist die sehr direkte und offene Kommunikation. Die meisten Protagonist:innen führen am Ende der Verabredung ein kurzes Gespräch mit der getroffenen Person, in dem die Fronten geklärt werden. In der Serie läuft das häufig darauf hinaus, dass lediglich der Wunsch nach einer platonischen Beziehung geäußert wird. Manchmal kommt es sogar zu Abbrüchen von Dates – so beendet eine Autistin ein Date vorzeitig, da es ihr zu formell war und Angstzustände in ihr auslöste. Ihr – ebenfalls autistischer – Begleiter zeigt sich als sehr rücksichts- und verständnisvoll. Ein anderer Autist flüchtet inmitten eines Gespräches mit einer jungen Frau, da er eine Blockade hat und nicht mehr weiß, was er hätte sagen können. Die Anspannung in den sozialen Situationen ist bei den meisten Protagonist:innen sehr hoch. Beim Sehen der Serie wird schnell deutlich, dass für viele der Autist:innen vor allem das flexible Reagieren auf verschiedene soziale Situationen, die das Dating mit sich bringt, schwerfällt. Ein Autist berichtet, er habe sich ein mentales „Skript“ mit Themen und Fragen für ein erstes Date ausgedacht, doch im Gespräch mit einer anderen Person verschwand das Skript schnell vor Nervosität.
Eine wissenschaftliche Betrachtung der Autismus-Spektrum-Störung findet in der Serie nicht statt. Sie dient vielmehr der Unterhaltung. Kritisiert wird von Luterman, sowie auch von Tom Harrendorf, einem deutschen Youtuber mit ASS [14], dass die Protagonist:innen infantilisiert, wie Kinder behandelt oder dargestellt, werden. Dies wird vor allem durch die Hintergrundmusik erreicht, die laut Luterman eher „für eine Dokumentation über tollpatschige Babygiraffen als für eine Reality-TV-Serie für erwachsene Menschen“ geeignet wäre. Des Weiteren kritisiert Luterman, dass lediglich eine bisexuelle Autistin in der Serie portraitiert wird – was eine nicht-repräsentative Darstellung der autistischen sexuellen Orientierungen sei. Dennoch betont sie, dass es positiv sei, wie selbstverständlich und unauffällig dargestellt wird, wie die Autistin sowohl Männer als auch Frauen datet. Außerdem kritisch sieht Luterman, dass fast alle Protagonist:innen der Serie weiß sind und die Repräsentation von People of Color unzureichend ist. Dennoch beschreibt Luterman die Serie insgesamt als gütig. Harrendorf gefiel vor allem die Authentizität der dargestellten Autist:innen mit ihren Eigen- und Besonderheiten.
Insgesamt empfand ich die Serie als sehenswert. Sie war einerseits stellenweise sehr unterhaltsam und rührend, andererseits auch informativ. Die sehr authentischen Autist:innen werden ungefiltert samt ihrer Unsicherheiten und Besonderheiten dargestellt. Ihr Bedürfnis nach Liebe, was ihnen häufig aufgrund von sozialen Defiziten, die mit sozialem Desinteresse verwechselt werden, abgesprochen wird, wird klar dargestellt. Sie gibt einen guten Einblick in das Leben von jungen Autist:innen, in ihre Schwierigkeiten aber auch in ihre Wünsche, Träume und Bedürfnisse.
Schlusswort
Was klar ist: Liebe zu finden ist nicht einfach – nicht für die neurotypische Bevölkerung, aber vor allem nicht für neurodiverse Menschen, wie zum Beispiel Menschen mit Autismus-Diagnose. Die Eigenschaften, die die Autismus-Spektrum-Störung mit sich bringen, machen das Dating durchaus zu einer großen Herausforderung. Dabei sind nicht nur Defizite sozialer Kommunikation hinderlich, sondern beispielsweise auch atypische sensorische Verarbeitung, wie eine Über- oder Unterempfindlichkeit gegenüber sensorischen Reizen. Die neurotypisch orientierte Gesellschaft macht es Autist:innen dabei vermutlich nicht gerade leicht, da Betroffenen häufig Zugang zu adäquater sexueller Aufklärung verwehrt bleibt. Hinzu kommt, dass aufgrund sozialer Schwierigkeiten häufig Lernmöglichkeiten für soziosexuelle Normen sowie Normen bezüglich von Dating und das Führen von Beziehungen zu kurz kommen. Gerade deswegen ist es besonders wichtig, Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung Lernmöglichkeiten zu bieten, beispielsweise durch speziell angepasste Aufklärungsprogramme, die auch besondere Bedürfnisse und Diversität von Sexualität mitaufgreift. Was sich manch neurotypische Person wahrscheinlich bei den Autist:innen abgucken kann, ist die klare und offene Kommunikation beim Dating – das könnte so manch komplizierte Geschichte verhindern und mehr Transparenz schaffen. Für die Gesellschaft im Ganzen ist es meiner Meinung nach wichtig, mehr Offenheit und Toleranz für Anderssein zu zeigen. Sexuelle Diversität, besondere Bedürfnisse und Eigenheiten zu normalisieren und jedem Menschen Raum zu geben, er oder sie selbst zu sein.Die Autismus-Spektrum-Störung, die rund jeden hundertsten Menschen betrifft, sollte wie jede andere psychische Störung entstigmatisiert werden. Empathie und Rücksichtnahme bezüglich der Schwierigkeiten, die neurodiverse Menschen haben, ist von großer Bedeutung. Aber es ist auch wichtig, nicht nur auf Defizite und Schwierigkeiten von Autist:innen zu schauen, sondern ihre Einzigartigkeiten zu wertschätzen.
Quellen:
[1] Falkai, P., Wittchen, H. U., & Döpfner, M. (2015). American Psychiatric Association: Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5. Göttingen: Hogrefe.
[2] Croen, L. A., Zerbo, O., Quian, Y., Massolo, M. L., Rich, S., Sidney, S., & Kripke, C. (2015). The health status of adults on the autism spectrum [Special Issue]. Autism, 19(7), 814-823.
[3] Loucas, T., Charman, T., Pickles, A., Simonoff, E., Chandler, S., Meldrum, D., & Baird, G. (2008). Autistic symptomatology and language ability in autism spectrum disorder and specific language impairment. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 49(11), 1184-1192.
[4] Kim, Y. S., Leventhal, B. L., Koh, Y.-J., Fombonne, E., Laska, E., Lim, E.-C., … Grinker, R. R. (2011). Prevalence of autism spectrum disorders in a total population sample. American Journal of Psychiatry, 168(9), 904-912.
[5] Gerdts, J., & Bernier, R. (2011). The Broader Autism Phenotype and Its Implications on the Etiology and Treatment of Autism Spectrum Disorders. Autism Research and Treatment, 2011, 545901. https://doi.org/10.1155/2011/545901
[6] Sala, G., Hooley, M., & Stokes, M. A. (2020). Romantic intimacy in Autism: A qualitative analysis. Journal of autism and developmental disorders, 50(11), 4133–4147.
[7] Barnett, J. P., & Maticka-Tyndale, E. (2015). Qualitative exploration of sexual experiences among adults on the autism spectrum: Implications for sex education. Perspectives on sexual and reproductive health, 47(4), 171–179.
[8] Hannah, L. A., & Stagg, S. D. (2016). Experiences of sex education and sexual awareness in young adults with autism spectrum disorder. Journal of autism and developmental disorders, 46(12), 3678–3687.
[9] Bejerot, S., & Eriksson, J. M. (2014). Sexuality and gender role in autism spectrum disorder: A case control study. PLoS One, 9(1), e87961.
[10] May, T., Pang, K. C., & Williams, K. (2017). Brief report: Sexual attraction and relationships in adolescents with autism. Journal of autism and developmental disorders, 47(6), 1910–1916.
[11] https://www.duden.de/rechtschreibung/Palaeontologie
[12] https://de.wikipedia.org/wiki/Neurotypisch
[13] https://www.spectrumnews.org/opinion/reviews/review-love-on-the-spectrum-is-kind-but-unrepresentative/
[14] https://www.youtube.com/watch?v=3nfLnUGI53E