HELENE KÜHN. Eine Psychiaterin am Massachusetts General Hospital bemerkt Muster in der Ernährung ihrer Patient:innen und dem Verlauf depressiver Symptome, daraufhin beginnt sie eine Ausbildung zur Köchin. Heute leitet Uma Naidoo den Nutritional Psychiatry Service in den USA und hat ein Buch darüber geschrieben, welche Rolle die Ernährung bei verschiedenen neuropsychiatrischen Erkrankungen spielt. Das Feld der Ernährungspsychologie ist noch relativ jung, aber durchaus vielversprechend. Ist es möglich, dass etwas so vermeintlich Einfaches, wie eine Ernährungsumstellung, als mögliche Prävention oder Intervention bei Depression eingesetzt werden kann?
Seit relativ kurzer Zeit wird der Zusammenhang zwischen Ernährung und Depression erforscht. Studien, die Ernährungsweisen untersuchten, fanden Zusammenhänge zwischen einem erhöhten Depressionsrisiko und der sogenannten „Western Diet“, einer Ernährungsform, die Fast Food, stark verarbeitete Lebensmittel, gesättigte Fettsäuren und Zucker beinhaltet [1]. Wie es so oft der Fall ist, unterscheiden sich die Studien methodologisch sehr stark, sodass es schwierig ist, sich ein Gesamtbild zu verschaffen oder eine gute Empfehlung für die beste Ernährung zu geben. Trotzdem wird eine Umstellung der Ernährung zumindest als eine mögliche Form der Intervention bei Depression diskutiert. Im Folgenden sollen einige Studienergebnisse zusammengefasst werden.
Dass der Darm und das Gehirn eng miteinander verbunden sind, ist schon länger bekannt (und kann außerdem auch im Psycho-Path in der Ausgabe 37 nachgelesen werden). Dementsprechend kann die Ernährungsform über den Vagusnerv, der unter anderem die Verbindung zwischen beiden herstellt, einen Einfluss auf das Gehirn haben. Die Art der Ernährung führt dabei zu Veränderungen im Mikrobiom, was wiederum einen Einfluss auf das Verhalten haben kann, also zum Beispiel depressives oder ängstliches Verhalten bedingen kann [7].
Eine groß angelegte Studie mit fast 15000 Studierenden in Spanien verfolgte die Ernährung und die Entwicklung depressiver Symptome über 10 Jahre [2]. Während zu Beginn keine:r der Teilnehmenden depressive Symptome zeigte, berichten die Autor:innen von 774 Fällen von Depressionen zum Zeitpunkt des Follow-Up. Dabei zeigte sich ein Zusammenhang mit der Ernährung: Personen, die eher stark verarbeitete energiereiche Lebensmittel zu sich nahmen, die per Definition wenig Ballaststoffe und wenige wichtige Nährstoffe enthalten, hatten ein höheres Risiko, depressive Symptome zu entwickeln. Eine wichtige Rolle könnte dabei der Mangel an bestimmten Mikronährstoffen spielen, die in stark verarbeiteten Lebensmitteln nicht oder in zu geringen Mengen vorkommen. Dazu zählen Vitamine, Minerale, aber auch Omega-3-Fettsäuren, die wichtig für eine gesunde Hirnfunktion sind. Besonders bekannt sind die Vitamine B12 und D, wobei ein Mangel mit verschiedenen neuropsychiatrischen Erkrankungen im Zusammenhang steht. Stark verarbeitete Lebensmittel beinhalten gleichzeitig mehr Trans-Fettsäuren sowie Zucker, wobei beides auch mit einem erhöhten Depressionsrisiko in Verbindung gebracht wurde [6]. Bei einer eher einseitigen Ernährung, die zum Beispiel der Western Diet folgt, nimmt auch die Diversität der Bakterien im Darm ab. Das begünstigt eine Vermehrung „schlechter“ Bakterien, die gesundheitsschädliche Folgen haben können. Unter anderem über diesen Mechanismus können Lebensmittel die chemischen Signale, die über den Vagusnerv vom Darm zum Gehirn gelangen, verändern [4].
Einen schützenden Effekt scheint die sogenannte mediterrane Diät zu haben. Dabei handelt es sich um eine Ernährungsform, die viel Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte und ungesättigte Fettsäuren enthält, aber wenig Fleisch- und Milchprodukte beinhaltet. Viele Studien weisen darauf hin, dass Personen, die sich eher gemäß einer mediterranen Diät ernähren, ein geringeres Risiko haben, eine Depression zu entwickeln. Diese Ernährungsform erhöht die Anzahl bestimmter förderlicher Bakterien, die einen positiven Einfluss auf kurzkettige Fettsäuren haben, die wiederum Hormone beeinflussen, welche Effekte im Gehirn bedingen und über diesen Mechanismus Verhalten beeinflussen können [3].
Die meisten Studien untersuchen den Einfluss der Ernährung auf das Risiko, eine Depression zu entwickeln. In einem Review wurden einige Studien zusammengefasst, die depressive Patient:innen untersuchten, die an Diätinterventionen teilnahmen. Die Interventionen umfassten unter anderem eine mediterrane Diät, Fettreduzierung oder eine erhöhte Vollkornaufnahme. In allen Studien fielen Verbesserungen depressiver Symptome nach der Intervention auf, wenn auch im Rahmen sehr verschiedener Zeitfenster (10 Tage bis ein Jahr) und mit verschiedenen Messinstrumenten für depressive Symptome [5].
Aufgrund dieser Ergebnisse ist es nicht abwegig, eine Änderung der Ernährung als eine mögliche therapiebegleitende Intervention bei Depression einzusetzen. Vor allem eine antiinflammatorische, antioxidante Diät, also mediterrane Diät, scheint bis zu einem gewissen Grad depressive Symptome verhindern oder verringern zu können. Das bedeutet, dass auch gesunde Personen über ihre Ernährung ihrer psychischen Gesundheit etwas Gutes tun können – was natürlich keineswegs heißt, dass gänzlich auf das gelegentliche Fast Food oder die Schokolade verzichtet werden muss.
Quellen
[1] Adjibade, M., Julia, C., Allès, B., Touvier, M., Lemogne, C., Srour, B., Hercberg, S., Galan, P., Assmann, K. E., & Kesse-Guyot, E. (2019). Prospective association between ultra-processed food consumption and incident depressive symptoms in the French NutriNet-Santé cohort. BMC Medicine, 17(1), 78. https://doi.org/10.1186/s12916-019-1312-y
[2] Gómez-Donoso, C., Sánchez-Villegas, A., Martínez-González, M. A., Gea, A., Mendonça, R. D. D., Lahortiga-Ramos, F., & Bes-Rastrollo, M. (2020). Ultra-processed food consumption and the incidence of depression in a Mediterranean cohort: The SUN Project. European Journal of Nutrition, 59(3), 1093–1103. https://doi.org/10.1007/s00394-019-01970-1
[3] Lassale, C., Batty, G. D., Baghdadli, A., Jacka, F., Sánchez-Villegas, A., Kivimäki, M., & Akbaraly, T. (2019). Healthy dietary indices and risk of depressive outcomes: A systematic review and meta-analysis of observational studies. Molecular Psychiatry, 24(7), 965–986. https://doi.org/10.1038/s41380-018-0237-8
[4] Naidoo, U. (2020). This is Your Brain on Food: An Indispensable Guide to the Surprising Foods that Fight Depression, Anxiety, PTSD, OCD, ADHD, and More. Hachette.
[5] O’Neill, S., Minehan, M., Knight-Agarwal, C. R., & Turner, M. (2022). Depression, Is It Treatable in Adults Utilising Dietary Interventions? A Systematic Review of Randomised Controlled Trials. Nutrients, 14(7), 1398. https://doi.org/10.3390/nu14071398
[6] Sánchez-Villegas, A., Verberne, L., De Irala, J., Ruíz-Canela, M., Toledo, E., Serra-Majem, L., & Martínez-González, M. A. (2011). Dietary Fat Intake and the Risk of Depression: The SUN Project. PLoS ONE, 6(1), e16268. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0016268
[7] Sandhu, K. V., Sherwin, E., Schellekens, H., Stanton, C., Dinan, T. G., & Cryan, J. F. (2017). Feeding the microbiota-gut-brain axis: Diet, microbiome, and neuropsychiatry. Translational Research, 179, 223–244. https://doi.org/10.1016/j.trsl.2016.10.002